„Pfand gehört daneben!“ – Pfandringe für Braunschweigs Mülleimer

Jährlich landen Pfandflaschen im Wert von 180 Millionen Euro im Müll. Das ist nicht nur eine Verschwendung von Ressourcen zu Lasten der Umwelt, sondern führt auch zu Verletzungen bei Flaschensammlern, die oft tief im Müll wühlen müssen, um eine Pfandflasche zu finden. Eine Pfandstudie des Marktforschungsinstitutes Appinio hat u.a. ergeben:
* 980 000 Menschen sammeln aktiv Deutschland aktiv Pfandflaschen. 26% der Befragten geben an, zwar einen Job zu haben, aber durch diesen nicht genug zum Überleben zu verdienen, weshalb sie zusätzlich Pfand sammeln.
* Jeder dritte Pfandsammler gab an, sich schon einmal beim Pfandsammeln verletzt zu haben.
* Jeder zweite Pfandsammler hat angegeben, dass er sich davor ekelt in Mülleimer zu fassen, um dort nach Pfandflaschen zu suchen.
* Rund 85% der Pfandsammler sind dankbar dafür, wenn Pfandflaschen neben den Mülleimern platziert werden.
(Quelle: https://www.pfand-gehoert-daneben.de/studie/ )
Zahllose Städte, Unternehmen und Künstler unterstützen daher die Aktion „Pfand gehört daneben“, um Flaschensammler und die Umwelt zu schützen:
www.pfand-gehoert-daneben.de/
Die Stadt Braunschweig geht jedoch einen Sonderweg und stellt Mülltonnen auf, die zur Ressourcenverschwendung einladen. Die Braunschweiger Zeitung schreibt dazu am 22.02.2022: „Das Abfalleimer-Modell trägt den Namen Kendo. […] „Kendo“ ist aber nicht nur größer, sondern er hat laut der Stadtverwaltung auch eine schräge Oberfläche, um das Abstellen von Bechern und Flaschen zu verhindern.“ Das klingt in der Theorie schön, aber in die Praxis empfehle ich einfach mal, einen Arm in den Kendo zu stecken, um eine Pfandflasche herauszufischen.
Ein altes Sprichwort lautet: Wenn ein Braunschweiger leidet, leiden alle. Daher schlage ich vor, dass a) an den vorhandenen Mülleimern in der Innenstadt Pfandringe angebracht werden und b) bei zukünftigen Planungen die Bedürfnisse der Pfandsammler besser berücksichtigt werden.
(Das Foto zeigt:
Oben: Zwei Mülleimer in der Innenstadt mit abgeschrägten Flächen
Linksunten: Mülleimer am Hauptbahnhof. Soziale Eintracht-Fans haben ihre Flaschen daneben platziert, was jedoch auch schnell zu einer Stolperfalle werden kann.
Rechtsunten: Mülleimer am Ringgleis mit Pfandringen.)
Kommentare
Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.am 07. Aug. 2022
um 15:12 Uhr
Ich finde es ganz schlimm,
Ich finde es ganz schlimm, dass die neuen Müllbehälter nun nur die Möglichkeit bieten, Pfandflachen in sie hineinzuwerfen. Sozial nicht akzeptabel!
am 08. Aug. 2022
um 07:26 Uhr
Zwiespältig
Einerseits bin ich dafür.
Andererseits heißt es aber auch, es bestehe die Gefahr, dass Schlauberger, die es eigentlich nicht nötig hätten, dann die leicht zugänglichen Pfandflaschen einsammeln und zu Geld machen. Die "echten" Flaschensammler gucken in die Röhre.
Haben wir ein Flaschensammler-Meinungsbild?
am 08. Aug. 2022
um 11:48 Uhr
Kendo
Ich schreib mal meine persönliche Meinung, ein paar Gespräche mit Flaschensammlern hatte ich.
Die Schattenwirtschaft der Flaschensammler ist von sehr unterschiedlichen Sammlern geprägt. Es gibt Hobbysammler wie zum Beispiel Arbeitslose, die auf dem Weg zum Supermarkt eine Flasche mitnehmen, um etwas mehr Geld im Portmonee zu haben, im Kultviertel gab es Corona eine große Konkurrenz zwischen semi-professionellen Sammlern, es gibt Bettler, die konkret nach leeren Flaschen fragen, und auch "Profis", die zum Beispiel mit Einkaufswagen vor Eintracht-Spielen stehen. Diese konkurrierenden Gruppen sollten jedoch kein Grund sein, Menschen tief im Müll wühlen zu lassen, denn an der Technik des Sammelns lässt sich meines Erachtens nicht die Größe der Not ablesen.
Was man jedoch sagen kann: Das neue Modell "Kendo" (links oben im Bild) ist für alle Gruppen denkbar ungeeignet. Tiefliegende Flaschen sind darin unerreichbar, und es ist auch verunmöglicht, mit einer Taschenlampe hineinzuleuchten, Pfand zu erspähen und diesen dann sicher herauszuziehen. Ich hab's mal ausgetestet, sobald man den Arm hineinsteckt, kann man nicht mehr hineinsehen. Die Flaschensammler in der Innenstadt sieht man daher jetzt vermehrt an den älteren Mülleimer-Modellen (unten im Foto).
Das Thema scheint auch ideologisch belastet zu sein, da Pfandsammler das Bild von der Schönen-Heilen-Welt stören, und mit krähensicheren Mülleimern mit kleinen Öffnungen löst man zwar nicht das Armutsproblem, aber man sieht es weniger in den Innenstadt. Das kann ich auch gut verstehen: Wenn man am Bankplatz Trüffelgnocchi ist und dazu einen "Grauen Burgunder Schillernde Diva" trinkt, dann stört es vielleicht den kulinarischen Genuss, wenn fünf Meter entfernt jemand eine 8-Cent-Flasche aus dem Müll sammelt, weil man ins Grübeln kommt. Trüffelgnocchi 29,95, Burgunder 9 €, mit Trinkgeld 40 Euro, dafür muss man 500 Flaschen sammeln. Das passt nicht recht zusammen, und die Politik löst dann das Problem der unerträglichen Gleichzeitigkeit des sozialen Seins, in dem es einfach verlagert wird.
am 11. Aug. 2022
um 18:32 Uhr
Super!
Liebe Stadt Braunschweig,
bitte setzen Sie diese Idee um, auch wenn sie nicht die erforderliche Anzahl von Stimmen bekommen sollte. Es ist für Menschen entwürdigend und gefährlich, wenn sie blindlings in Essensresten oder sonstigem Unrat wühlen müssen, um sich wenige Cent zu sichern. In anderen Städten sind die Pfandringe, etc. schon seit Jahren etabliert. Auch für die Getränkehersteller ist es wichtig, dass Leergut zurück gebracht wird und eben nicht im Müll landet. Es gibt also unzählige Gründe, die für die Umsetzung sprechen.
@Lordi: vielen Dank für die eingereichte Idee.
am 06. Sep. 2022
um 14:27 Uhr
„Pfand gehört daneben!“ – Pfandringe für Braunschweigs Mülleimer
Wer einmal einem Pfandsammler (nein, ich gendere nicht) eine Pfandflasche persönlich gegeben und die dankbaren Augen gesehen hat ...
Es ist unseres Landes absolut unwürdig, dass vor allem alte Menschen, Rentner, diejenigen die das Land aufgebaut haben, Pfand sammeln müssen, um ein menschenwürdiges Leben am untersten Rand der Gesellschaft führen zu können. Einigen von ihnen fehlt es an Mut Grundsicherung zu beantragen, sie essen lieber nicht regelmäßig statt ihnen zustehende Leistungen zu erhalten.
Warum unsere Stadt von sich aus nicht solche Unterstützungen umsetzt, erschließt sich mir nicht. Statt dessen werden noch Mülleimer installiert, welche genau das Abstellen von Flaschen darauf verhindern. Klar, sie könnten herunterfallen und genauso kaputt getreten werden wie Flaschen, die unter dem Mülleimer abgestellt werden. Warum kommt keinem der Entscheider eine so gute Alternative selbst in den Sinn? Geht es den Entscheidern selbst zu gut? Müssen hierfür erst Unterschriften gesammelt werden?